PRESSE
 

Artikel im Weser Kurier vom 14.09.2006 (PDF):

Plauderstunde im hölzernen Ei
Künstler verändern die Bohnenstraße für ein Festival

Von Catharina Oppitz
OSTERTOR. „Fasülye Sokak“ steht auf dem Straßenschild. Eine Passantin bleibt kurz stehen und wundert sich. „Was heißt das denn?“ Seit Dienstagvormittag hat die Bohnenstraße im Ostertor neue, mehrsprachige Namen. Die englische „Beanstreet“ hängt neben der spanischen „Calle de la Judias“. Die Übersetzung in andere Sprachen war einfach, denn Bohnen gibt es schließlich überall – und Straßen auch. „Flying Beans“ heißt das Kunstprojekt im öffentlichen Raum der Bremer Künstlerin Isolde Loock. Es ist einer der Vorboten des Kunstfestivals „Plattform Bohnenstraße“, das morgen beginnt und bis zum Sonntag läuft.

„Wir haben jetzt hier in Bremen bestimmt die ersten fremdsprachigen Straßenschilder in ganz Deutschland“, glaubt Videokünstler „BNC“, einer der Initiatoren der Performance im öffentlichen Raum. „Ich wollte mit den Schildern ein wenig Internationalität ins Viertel bringen“, erzählt Isolde Loock. Über alle Kontinente hinweg solle „ein Netz gespannt“ werden und so Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden. Dass der Straßenname jetzt auch auf Türkisch zu lesen ist, habe wegen der vielen aus diesem Land stammenden Bremer nahe gelegen, sagt Loock. Englisch sei die verbindende Weltsprache, und große Teile der Weltbevölkerung würden sich auf Spanisch oder Chinesisch unterhalten. Ursprünglich war auch ein Schild auf Arabisch geplant, doch die technische Umsetzung scheiterte an den verschlungenen Schriftzeichen. „Hoffentlich können die Schilder auch nach dem Festival hängen bleiben“, hofft die Künstlerin, die sich im Vorfeld mit zahlreichen Vorgaben von Seiten des Straßenverkehrsamtes konfrontiert sah.

Die Vorbereitungen auf das Festival in der Bohnenstraße laufen auf Hochtouren. Im Inneren des „Restehauses“ an der Ecke klebt die Künstlerin Edeltraut Rath bunte Folien auf das Fenster aus Glasbausteine. „Inside/Outside“ heißt ihre Installation. Die farbigen Flächen sollen nach Einbruch der Dunkelheit von innen beleuchtet werden. „Wir spielen hier mit der Sprache der Medien und wollen diese mit dem Raum in einen Dialog treten lassen“, umreißt „BNC“ das anspruchsvolle Konzept des Straßenfestes der etwas anderen Art. Die Vorgärten verwandeln sich in eine Galerie, sind Spielplätze der Fantasie sowie interaktive Treffpunkte. „BNC“ hat den Zaun vor seinem Haus abgebaut; an der Grenze zum Nachbargrundstück steht ab morgen Abend die „Komm-Box“ vonMartin Kahrs. In dem hölzernen Ei kann man es sich wie in einer Laube bequem machen und mit dem Nachbarn im Sitzen plaudern.

Auf den Häuserwänden werden Videoprojektionen laufen, wie etwa „Haut der Stadt“ von „BNC“, in der sich nach seinen Worten willkürliche Internet-Impressionen zu neuen Bilderlandschaften verbinden. Kinki Texas lädt zu einer halsbrecherischen Odyssee durch Häuserschluchten ein, in denen bizarre Figuren wirre Abenteuer erleben. Wembeim Besuch der „Plattform Bohnenstraße“ nach einem Moment der Ruhe zumute ist, kann den Kiosk der Bremer Künstlerin Mirjam Dumont besuchen und dort im Privatleben der Kioskbesitzerin herumstöbern, die ihr Büdchen für einen Moment verlassen hat.

„Die Plattform ist das bisher erste Projekt dieser Art in Bremen“, sagt „BNC“. Zwar habe es schon vorher Kunstprojekte im öffentlichen Raum gegeben, doch noch nicht in dieser Größe und Vielfalt. Das Festival wird morgen um20 Uhr eröffnet, den ganzen Sonnabend über laufen Live-Verantstaltung, zum Beispiel um 20 Uhr das Filmprojekt „Hazyland“ von city.crime.control, das sich kritisch mit dem Wandel im urbanen Raum auseinandersetzt.


Mit freundlicher Genehmigung der Autorin


Artikel im Weser Kurier vom 21.09.2006 PDF:

SMS-Nachrichten an der Hauswand
Kunstfestival „Plattform Bohnenstraße“ schuf fließende Übergänge zwischen Privatem und Öffentlichem


Von Catharina Oppitz OSTERTOR. „First we take bohnhattan...“ flackerte am Sims eines Altbremer Hauses entlang. Fast visionär formulierten die Veranstalter des Kunstfestivals im öffentlichen Raum, der „Plattform Bohnenstraße“, hier an einer Hauswand ihren künstlerischen Ansatz. Um Kommunikation ging es und um deren multimediale Umsetzung.Umdie fließenden Übergänge zwischen Privatemund Öffentlichem. Der SMS-Ticker von Andreas Barghorn und dem Künstler „BNC“ spielte mit dem interaktiven Charakter von Kommunikation: Die Besucher der Bohnenstraße hatten die Möglichkeit, eine SMS zu schicken, die dann an die Hauswand projiziert wurde. So wurden die digitalen Kurzmitteilungen geradezu zu Wandkritzeleien der neuen Generation. „Bean Street is the best street“ war dort auch zu lesen, denn für die „Plattform Bohnenstraße“ hatte die kleine Nebenstrasse im Ostertor kurzfristig Namen in anderen Sprachen bekommen – von Türkisch bis Chinesisch.

„Uns hat die Idee überzeugt, dass sich hier ein künstlerisches Projekt quasi von unten aus einer Straße entwickelt hat. Kunst findet hier ihren Ort nicht in einem Museum, sondern in einer begehbaren Straße“, lobte Rose Pfister vom Kulturressort das Festival. Gerade die räumliche Nähe zum Remberti-Kreisel, dessen bauliche Umsetzung seit längerem in der Stadt kontrovers diskutiert wird, verleihe der „Plattform Bohnenstraße“ eine weitere inhaltliche Dimension verleihen.

In ihrer Begrüßungsrede griff Rose Pfister auch den Namen der Veranstaltung auf. Eine Plattform sei auf der einen Seite eine Möglichkeit, unterschiedliche Ansätze und Ideen miteinander zu verbinden, gleichzeitig würde hiermit eine kulturelle Offenheit impliziert. Der kommunikative Charakter der Straße war das Grundmotiv, das die zahlreichen Projektionen und Installationen durchzog. Der türkise Kiosk der Bremer Künstlerin Mirjam Dumont lud den Besucher zum Verweilen ein und dazu, einen kurzen voyeuristischen Blick in das Privatleben der Kioskbesitzerin zu werfen. Brille, Zigaretten und Kaffeetasse standen hier so achtlos herum, als wäre die Besitzerin nur für einen Moment verschwunden. „Dieser Kiosk ist ein begehbares Bild, als Besucher bringt man seine Geschichte mit, er wird somit zu einer Projektionsfläche etwa für die eigenen Erwartungen“, beschrieb Mirjam Dumont ihr Werk, das im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für Künste entstanden war. Ihr Kiosk steht symbolisch für die Rolle im urbanen Raum, die Kioske für die Kommunikation übernehmen. Denn hier geht es nicht nur über die Information, dieman in der Zeitung lesen kann, sondern auch um den persönlichen Austausch.

Die Straße als Handelsweg der Waren und Informationen nahm auch Christoph Klütsch in seinen einführenden Worten auf. Kunst im öffentlichen Raum sei auch immer eine Kritik an bestehenden Institutionen. „In der Kunst im öffentlichen Raum formuliert sich das Spannungsfeld von politischem Engagement, das nach außen gerichtet ist und einem Rückzug ins Private“, so derMedienwissenschaftler. In vielen der Fenster in der Bohnenstraße flackerten Projektionen Bremer und internationaler Videokünstler, der Blick des auf der Straße stehenden Betrachters richtete sich also nicht mehr in die Privatsphäre der Bewohner, sondern in neue, multimediale Dimensionen. Jeder Bewohner des urbanen Raumes hat seine eigenen Bilder, die Projektion „Haut der Stadt“ von BNC zeigten ein Kaleidoskop der Spuren, die der Nutzer bei seinen Spaziergängen im Internet hinterlässt. Fazit: Die „Plattform Bohnenstraße“ hat bewiesen, dass für die Kulturkritik relevante Diskussionen auch jenseits der bedeutenden Metropolen geführt und engagiert umgesetzt werden.


Mit freundlicher Genehmigung der Autorin


BNC im interview mit der TAZ Nord vom 14.9.2006 :

Plattform Bohnenstraße

taz: Warum verdient ausgerechnet die Bohnenstraße, eine kleine Seitenstraße im Viertel, eine eigene Plattform?

BNC: Es war eigentlich eher andersherum. Wir sind vor knapp zwei Jahren in die Bohnenstraße gezogen, da haben wir uns gedacht: Hier müsste man mal etwas machen. Ein Anregung kam von Wolfgang Jeske, der in Hannover eine ähnliche Veranstaltung gemacht hatte. Der erste Ansatz war eigentlich, einen kritischen Diskurs zu eröffnen. Wir wollten Kunst im Spannungsfeld zwischen öffentlichem und privatem Raum. Das Thema ist dann leider mit der Zeit in sich zusammengefallen. Aber es gibt immerhin einige Künstler, die sich in ihren Arbeiten mit der spezifischen Straßensituation beschäftigen.

Gab es eine Ausschreibung, die das von den Künstlern und Künstlerinnen verlangte?

Ja, aber die Resonanz war sehr schwach. Auf den ersten Aufruf hat sich eigentlich nur eine Künstlerin gemeldet, Gertrud Schleising, die in ihrer Arbeit auch die Straßensituation berücksichtigt. So haben wir teils fertige Arbeiten, wie den Film "Bremen wird Hazyland" von der Gruppe "City Crime Control", bekommen, teils Künstler angesprochen, die uns empfohlen wurden.

Wie haben denn die Nachbarn reagiert?

Es war zuerst ein gewisses Desinteresse spürbar. Wenn wir uns aber länger mit den Menschen unterhalten haben, fanden es viele gut.

Gibt es eine Fortsetzung?

Wenn wir sowas nochmal machen, dann nur mit einer Institution im Rücken. Und vorher mache ich einen Kurs in Projektmanagement ...
Fragen: AS

taz Nord Nr. 8074 vom 14.9.2006, Seite 26, 68 Interview AS

Mit freundlicher Genehmigung des Autors